ChatGPT oder Deepl - Was ist besser zum Übersetzen

Flurina Kühn-Schwendimann (Freiberufliche Übersetzerin)

Im Dezember 2022 berichteten wir erstmals über ChatGPT, dessen Version GPT-3 ein Monat zuvor der Öffentlichkeit kostenlos zur Verfügung gestellt wurde. Nachdem sich innerhalb von nur fünf Tagen über eine Million Nutzer angemeldet hatten, war klar: OpenAI hat eine Technologie eingeführt, die die Welt mal wieder revolutionieren würde.

Nach etwas über einem Jahr können wir die Stärken und Schwächen von ChatGPT besser einschätzen und uns vor allem auch an die Frage wagen, die sich im Moment viele Menschen in der Übersetzungsbranche stellen: Ist ChatGPT eine Alternative zu DeepL und anderen MÜ-Systemen?

Eignet sich ChatGPT zum Übersetzen?

ChatGPT ist eine sprachbasierte Anwendung, mit der sich Menschen dialogbasiert austauschen können. Die Anwendungsmöglichkeiten von ChatGPT scheinen grenzenlos zu sein, und in der Zeit seit seiner Veröffentlichung haben die Nutzer jedes erdenkliche Szenario mit dem Chatbot ausprobiert, mit mal besseren und mal schlechteren Ergebnissen. Um möglichst gute Antworten zu erhalten, sind gut formulierte Prompts das A und O, weswegen sich bereits große Communitys gebildet haben, die die besten Prompts sammeln und miteinander teilen. Außerdem gibt es mittlerweile den Beruf „Prompt Engineer“, bei dem sich alles um die Kommunikation mit verschiedenen KIs dreht.

Fragt man ChatGPT selbst, gibt er an, dass seine Spezialgebiete Textgenerierung, Textverständnis, Codegenerierung, Sprachübersetzung, Konversation, Faktenwissen, Bild- und Datenverarbeitung sowie Lernfähigkeit sind. Wobei „Spezialgebiete“ ein dehnbarer Begriff ist: Vor allem der Punkt „Faktenwissen“ ist fraglich, da mittlerweile jedem klar sein sollte, dass der Chatbot einige Fakten einfach erfindet. Um dieses Problem zumindest teilweise zu umgehen, kann ChatGPT über Bing verwendet werden. Dies ist seit der Partnerschaft mit Microsoft möglich. ChatGPT stellt dafür die Datenbank der Suchmaschine Bing zur Verfügung. Der Vorteil bei der Suche über Bing Chat ist, dass Quellenangaben verlinkt werden, wodurch die Nutzer einzelne Informationen überprüfen können.

Es ist interessant, dass ChatGPT selbst die Übersetzung erwähnt, ist das Programm doch ein Chatbot und kein System zur maschinellen Übersetzung wie DeepL. Um zu übersetzen, muss man dem Chatbot nur ein Text zur Verfügung gestellt werden, mit der Anforderung, dass er diesen in eine bestimmte Sprache übersetzen soll (derzeit unterstützt ChatGPT 85 Sprachen).

Dem Handelsblatt gegenüber erklärte die KI-Expertin Katharina Zweig, dass die KI übersetzen kann, obwohl sie nie auf Übersetzen trainiert wurde und, dass sie die Essenz von Sprachen mitgelernt hätte. Dies war dank der Unmengen an Textdaten in unterschiedlichen Sprachen möglich.

Fakt ist jedoch, dass ChatGPT hauptsächlich mit englischen Daten trainiert wurde, weshalb die Kommunikation auf Englisch in manchen Fällen „flüssiger“ erscheint. Ein Beispiel: Wenn man ChatGPT bittet, eine E-Mail auf Deutsch zu schreiben, lautet der erste Satz nach der Anrede meistens: „Ich hoffe, diese E-Mail erreicht Sie wohlauf.“ Dies ist eine wörtliche Übersetzung der englischen E-Mail-Floske „I hope this email finds you well“, die auf Deutsch nicht gängig ist.

Allerdings sind die Sprachmuster von Englisch und Deutsch relativ ähnlich, wodurch die Übersetzungsergebnisse besser sein dürften als zwischen Sprachen, die nicht viele Gemeinsamkeiten habe, wie zum Beispiel Deutsch und Chinesisch. Wir kennen diese Problematik allerdings bereits von maschinellen Übersetzungen mit „traditionellen“ Systemen wie DeepL.

Unterschiede zwischen ChatGPT und DeepL

Im Gegensatz zu ChatGPT wurde DeepL explizit für die Übersetzung konzipiert und trainiert. Aus diesem Grund sind dessen Übersetzungen stand heute besser als die des Chatbots, insbesondere, wenn es sich um komplexere Texte handelt.

Außerdem verfügt DeepL über einige Funktionen, die die maschinelle Übersetzung verbessern und vereinfachen, über die ChatGPT nicht verfügt und wahrscheinlich auch in naher Zukunft nicht verfügen wird, da die Übersetzung nicht der Hauptfokus der KI bzw. von OpenAI ist.

Zu den speziellen Funktionen von DeepL gehören die Einstellung der Anredeform, das Glossar, die alternativen Übersetzungsvorschläge und insbesondere die Integration per API in Translation-Management-Systeme (TMS) wie der Across Language Server, wodurch der Übersetzungsprozess automatisiert und beschleunigt werden kann. Ein Vorteil hierbei ist, dass einmal posteditierte Sätze im sogenannten Translation Memory, dem Übersetzungsspeicher des TMS, gespeichert werden. Dies ermöglicht die Wiederverwendung der Übersetzungen bei Wiederholungen, ohne dass die Sätze erneut angepasst werden müssen.

Zum Übersetzen mit ChatGPT müssen die Texte manuell von der ursprünglichen Datei kopiert und in den Chat eingefügt werden, und die Übersetzung muss wiederum kopiert und in die Zieldatei eingefügt werden. Dies mag für sporadische Übersetzungen kein Problem darstellen, aber für den professionellen Einsatz ist die Vorgehensweise zu mühselig und langsam.

Die Datensicherheit ist bei ChatGPT und DeepL ähnlich: In der kostenlosen Version zur Verfügung gestellte Daten werden zum Training verwendet, was mit der Nutzung einer kostenpflichtigen Premium-Version verhindert werden kann. Bei Chat-GPT braucht es dazu die Team-Version für 23 € pro Monat, bei DeepL reicht dafür die Starter-Version für 5,99 € pro Monat, wobei die Integration mit Translation-Management-Systemen erst ab der Advanced-Version für 24,99 € pro Monat möglich ist.

Unserer Einschätzung nach eignet sich ChatGPT (noch) nicht als Ersatz für herkömmliche MÜ-Systeme wie DeepL, Google Translate und andere, da diese explizit für die Übersetzung entwickelt wurden und über spezifische Funktionen verfügen, die die Übersetzungsqualität erhöhen.

Eine weitere Alternative sind individualisierte maschinelle Übersetzungssysteme. Diese werden im Gegensatz zu generischen Systemen wie DeepL mit kundenspezifischen Daten trainiert, wodurch sie die individuelle Firmensprache und -terminologie berücksichtigen können und somit genauere Übersetzungen liefern. Das Ergebnis sind bessere Rohübersetzungen, die weniger Post-Editing benötigen. Ein Beispiel hierfür ist AcrossMT, unser hauseigenes MÜ-System, das mit Ihren spezifischen Daten (sowohl Translation Memory als auch Terminologie) trainiert wird und dadurch bessere Übersetzungsergebnisse liefert.

Wie ChatGPT bei der Übersetzung helfen kann

All dies bedeutet jedoch nicht, dass ChatGPT nicht nützlich für den Übersetzungsprozess bzw. für die Übersetzung an sich sein kann. Da der Chatbot über ein umfassendes Wissen verfügt, kann er allerlei Tipps und Tricks rund um den Übersetzungsprozess oder das Übersetzungsmanagement geben. Stellen Sie ihm doch mal die folgenden Fragen:

  • Wie kann mein Unternehmen einen möglichst effizienten Übersetzungsprozess aufsetzen?
  • Wie kann ich das Übersetzungsmanagement in meinem Unternehmen verbessern?
  • Wie finde ich einen passenden Übersetzungsdienstleister für mein Unternehmen?
  • Wie kann mein Unternehmen erfolgreich maschinelle Übersetzung einführen, ohne dass die Qualität der Texte darunter leidet?

Tipp: Geben Sie die Branche und/oder andere allgemeine Informationen Ihres Unternehmens an, um genauere Antworten zu erhalten. Sie können außerdem Folgefragen stellen, damit ChatGPT bei gewissen Punkten konkreter bzw. ausführlicher wird.

Außerdem kann ChatGPT auch bei der Übersetzung an sich hilfreich sein. So kann man ihn zum Beispiel bitten, bestimmte Begriffe oder Konzepte des Quelltextes zu erklären. Im Anschluss kann man ihn nach der Übersetzung dieses spezifischen Begriffs in dem konkreten Kontext fragen. Dies ist insbesondere dann nützlich, wenn man in den verschiedenen Wörterbüchern oder Übersetzungsdatenbanken wie Linguee oder Reverso keine geeignete Übersetzung findet.

Bei diesen Anwendungsfällen gilt es natürlich, die Antworten kritisch zu hinterfragen und mit anderen Quellen zu vergleichen, da ChatGPT, wie bereits erwähnt, manchmal Fakten erfindet, wobei dies bei allgemeinen Fragen eher selten der Fall ist. Aber oftmals ist ChatGPT der ideale Ausgangspunkt für Nachforschungen, wenn man sich mit einem Thema noch nicht gut auskennt sich und erst einmal einen groben Überblick verschaffen möchte, bevor man fundiertere Recherchen durchführt.

Fazit

Gemäß einer Umfrage des Statista Research Department vom 2. Januar 2024 verwenden rund 9 % der Befragten ChatGPT mehrmals täglich, und weitere 18 % stellen dem KI-Bot mehrmals die Woche Fragen. Insgesamt verwenden ihn lediglich 29,7 % der Befragten nie. Heißt: ChatGPT oder ähnliche KIs ist nicht mehr aus unserem Leben zu denken und wir müssen lernen, damit umzugehen. Dazu gehört, richtig Fragen stellen zu lernen und Faktenchecks genau durchzuführen.

Stand jetzt eignet sich der Chatbot noch nicht wirklich zur routinemäßigen Erstellung von maschinellen Übersetzungen, aber dies kann sich in Zukunft noch ändern, zum Beispiel wenn MÜ-Systeme eingeführt werden, die auf den Datensätzen von ChatGPT basieren. Bis dahin sollten Unternehmen, die maschinelle Übersetzung einsetzen möchten, eher auf bewährte MÜ-Systeme zurückgreifen, die mittels einer API an ein traditionelles Translation-Management-System wie der Across Language Server angebunden sind.